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Wählbarkeit, Sparen und Antersasc - Die Wörter, Unwörter und Sprüche des Jahres 2010 sind gekürt


19.01.2011,

Zum sechsten Mal waren die Südtiroler und Südtirolerinnen dazu aufgerufen, Vorschläge für die Wörter und Unwörter des Jahres im Land zu machen. Erstmals wurde auch nach dem Spruch des Jahres gesucht. Die Ergebnisse sind ein gutes Abbild dessen, was Südtirol im Jahr 2010 bewegt hat.

„Wir müssen sparen“ – dieser Spruch war in Südtirol im Jahr 2010, in einer Zeit sinkender Budgets, in aller Munde. Der eine oder andere, der diese Aussage getätigt hat, mag bei dem „wir“ doch mehr an die anderen als an sich selbst gedacht haben, aber vielleicht ist auch das charakteristisch für unser Land. „Wir müssen sparen“ wurde deshalb zum Südtiroler Spruch des Jahres 2010 in deutscher Sprache gekürt. Wenig überraschend ist das deutschsprachige Wort des Jahres in Südtirol: die „Wählbarkeit“ – ein Begriff, der in Südtirol entweder so schwammig definiert oder so wenig ernst genommen wurde, dass er die Gerichte mehrfach beschäftigte und drei Landtagsabgeordneten zum Stolperstein wurde. Als Unwort des Jahres hat die Jury jenes gewählt, welches am häufigsten eingesendet wurde, nämlich „Erreichbarkeit“. Mit besserer „Erreichbarkeit“ wird beschönigend etwas heraufbeschworen, was unter dem Diktat der modernen Schnelllebigkeit durchaus auch seine Schattenseiten hat, bedeutet es doch noch mehr und vor allem breitere Straßen und Autobahnen, längere Landepisten am Flughafen, mehr Lifte, Tunnels, Verkehr, noch weniger ungestörte Ruhe in Zeiten ständiger Erreichbarkeit durch Handy, Facebook und Breitbandinternet. „Erreichbarkeit“, das haben die Einsendungen gezeigt, ist für viele zum Reizwort geworden.

Mit „Erreichbarkeit“ haben auch die Entscheidungen der ladinischen Jury zu tun. Als Wort des Jahres wurde Antersasc gewählt. Die Erschließung der Antersasc-Alm im Weltnaturerbe Dolomiten hat weit über Ladinien hinaus zu heftigen Kontroversen geführt. Einen erfreulichen Nebeneffekt hebt die Jury hervor: In allen Medien wurde der ladinische Name Antersasc verwendet und nicht etwa die von einigen Landkarten angeführte Übersetzung „Zwischenkofel“. Die Debatte hat also jedenfalls zur Aufwertung eines ladinischen Ortsnamens beigetragen. Als Unwort des Jahres wurde „piz de pèsc“ (friedliches Eck) ausgewählt. Die Antersasc-Alm wurde in den Medien als „ultim piz de pèsc“ (letztes ruhiges, friedliches Eck) gepriesen, was insofern beschönigend ist, als die Alm die unterschiedlichen um sie kreisenden Interessen bisher gerade nicht befrieden konnte. Als Spruch des Jahres wurde eine Schlagzeile aus der Zeitung „Usc di Ladins“ gewählt. „Plan plan toma la rei“, so wurde dort am 27.11.2010 ein Artikel über die Probleme mit dem Internet in Teilen des Gadertales betitelt. Die Schlagzeile ist ein Wortspiel mit dem Weihnachtslied „Plan plan toma la nei“ (Leise rieselt der Schnee) und bedeutet wörtlich: leise fällt das Netz. Die Schlagzeile überlässt subtil dem Leser die Interpretation, die positiv (langsam, aber sicher erreicht das Internet jeden Winkel) oder auch negativ (langsam, aber sicher bricht das Internet zusammen, aufgrund der geschilderten Probleme) sein kann.

Alles rund ums Sparen drehte sich bei der italienischen Jury. Somit wurde „risparmio“ zum Wort und gleichzeitig zum Unwort des Jahres erklärt. In der Tat ist der Begriff des Sparens positiv und negativ gleichermaßen auszulegen. Er hat eine positive Bedeutung, wenn er für eine zukünftige Gesellschaft steht, die auf Qualität und nicht nur auf Quantität setzt. Wie der Ökonom Serge Latouche bei einem gut besuchten Vortrag vor Weihnachten in Bozen sagte, sind die Zeiten des „wilden“ Finanzwachstums und des ungebremsten Konsums von überflüssigen Dingen und Ressourcen vielleicht wirklich vorbei und es ist eine Zeit des „Rückgangs“ angebrochen, was nicht Rückkehr in die Steinzeit bedeutet, sondern bewusster Umgang mit den natürlichen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen; Sparen und Genügsamkeit also als Anregung für ein Nachdenken über unser Konzept von Wohlstand und Lebensqualität.
Sparen ist vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise aber auch ein negativ behafteter, verschleiernder Begriff, wenn man an die finanziellen Kürzungen im Bereich Kultur, Gesundheitswesen und Bildung denkt, wie sie in vielen europäischen Ländern vorgenommen wurden. Diese haben vor allem von den finanziell schwachen Familien Opfer gefordert und zu mehr Arbeitslosigkeit und Armut beigetragen.
Aufgrund der wenigen Einsendungen wurde kein italienischer Spruch des Jahres gekürt.

Die Veranstalter der Aktion – Sprachstelle im Südtiroler Kulturinstitut, Institut für Fachkommunikation und Mehrsprachigkeit der Eurac, Ladinische Abteilung der Bildungswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Bozen und die Landesbibliotheken Dr. Teßmann und Claudia Augusta – bedanken sich bei allen, die sich mit Vorschlägen beteiligt haben.